AEDL – Pflege nach festgelegten Standards
AEDL – Definition und Inhalt
Die deutsche Pflegewissenschaftlerin Prof. Dr. Monika Krohwinkel hat 1984 das Pflegemodell AEDL entwickelt, welches noch heute von Pflegeeinrichtungen und ambulanten Pflegediensten eingesetzt wird. Neben der Versorgung von eingeschränkten Patienten beinhaltet es vor allem fördernde Prozesse, die darauf abzielen, dass der Patient eine lange Zeit selbstbestimmt leben kann. Die Unabhängigkeit, Entscheidungen zu treffen, wird dabei aufrechterhalten – dabei sind die Maßnahmen, die bei der Betreuung durchgeführt werden, individuell auf den Pflegebedürftigen abzustimmen.
AEDL heißt:
- A – Aktivitäten und
- E – existenzielle Erfahrungen
- D – des
- L – Lebens
AEDL funktioniert in einem Zusammenspiel zwischen Mensch, Umgebung, Pflege sowie Gesundheit und Krankheit. Dabei muss die Interaktion zwischen dem Pflegebedürftigen und der Pflegekraft auf einer vertrauten Basis beruhen, um Fortschritte zu erzielen. Mit der Umgebung meint Krohwinkel nicht nur den unmittelbaren Lebensraum, auch soziale Kontakte und materielle Faktoren spielen eine Rolle. Fühlt sich der pflegebedürftige Bewohner/Patient in seinem sozialen Umfeld und in seiner Wohnsituation angekommen, beeinflusst dieses gute Gefühl auch das Wohlbefinden. Permanent in Bewegung ist der Gesundheit – Krankheit – Kreislauf. Um Fortschritte zu erzielen und bestimmte Fähigkeiten wiederzuerlangen, müssen individuelle Maßnahmen zur Förderung ergriffen werden. Krohwinkel ist überzeugt, dass der Mensch ganzheitlich betrachtet werden muss und die Lebensbereiche sich gegenseitig beeinflussen und verstärken.
Das Pflegekonzept beinhaltet 13 grundlegende Kriterien, die in den Pflegeplan eingearbeitet werden.
- Kommunizieren
- Sich bewegen
- Vitale Funktionen des Lebens aufrechterhalten
- Sich Pflegen
- Essen und Trinken
- Ausscheiden
- Sich kleiden
- Ruhen und Schlafen
- Sich beschäftigen
- Sich als Mann oder Frau fühlen und verhalten
- Für eine sichere Umgebung sorgen
- Soziale Bereiche des Lebens sichern
- Mit existenziellen Erfahrungen des Lebens umgehen
Im Folgenden möchten wir auf die einzelnen Teilbereiche des AEDL-Pflegekonzeptes näher eingehen, um ein besseres Verständnis zu erzielen.
Kommunizieren
Verständigung ist unerlässlich. In der Beziehung zwischen dem Pflegebedürftigen und dem Pflegepersonal kann ohne die kommunikative Fähigkeit kein Dialog stattfinden. Der Betroffene muss sich mitteilen können. Wünsch, Bedürfnisse, Sorgen, Ängste oder Schmerzen können dabei schriftlich und mündlich kommuniziert werden. Gleichzeitig müssen hier auch das Bewusstsein für die Folgen der Kommunikationsfähigkeit und die nötige Konzentration vorhanden sein.
Sich bewegen
Die Fähigkeit, sich zu bewegen, muss von der Pflegekraft erkannt und zielführend gefördert werden. Bewegungseingeschränkte Patienten oder Betroffene, die sich nach einer langen Ruhephase in eine Komfortzone zurückziehen, müssen aktiviert werden. Dazu gehören neben dem Gehen, Sitzen und Aufstehen auch ein Lagerungswechsel. Bei Patienten, die von Lähmungen oder Spastiken betroffen sind, muss zusätzlich auf die gefährdeten Körperregionen eingegangen werden, die durch einseitige Mobilität gefährdet werden.
Vitale Funktionen des Lebens aufrechterhalten
Das Pflegepersonal muss bei der Umsetzung des AEDL-Konzeptes darauf achten, dass überlebenswichtige Körperfunktionen, wie die Fähigkeit zu atmen, der Blutkreislauf oder auch die Wärmeregulation, jederzeit gesichert sind. Die Überwachung beinhaltet außerdem das Atemverhalten und -störungen, Erkennen von grippalen Infekten, Fieber, Veränderung von Puls und Transpiration sowie Durchblutungsstörungen.
Sich pflegen
Die richtige Körperhygiene ist vor allem mit zunehmendem Alter oder bei Einschränkungen in der Lagerung von besonderer Bedeutung. So können bei manchen Patienten schnell Hautschäden auftreten und sich dort verschlimmernde Bakterien ansammeln. Das Pflegepersonal achtet daher in besonderem Maß auf den Zustand der Haut und die richtige Pflege. Dabei wird je nach den körperlichen Fähigkeiten Unterstützung oder motivierender Beistand geleistet. Die einzelnen Körperregionen werden differenziert betrachtet.
Essen und Trinken
Um Fehlernährung und Mangelerscheinungen zu vermeiden, muss das Pflegepersonal besonders darauf achten, dass sich die Betreuten ausgewogen oder einer entsprechend vorgeschriebenen Diät ernähren und ausreichend trinken. In der ambulanten Pflege beginnt es bereits bei der Zubereitung der Mahlzeit. Es müssen Menge, die Fähigkeiten zu essen und zu trinken sowie Zahnstatus und Mundsituation dabei berücksichtigt werden. Auch das geschmackliche Empfinden spielt eine große Rolle.
Ausscheiden
Die Förderung der Kontinenz steht in der Pflege eindeutig im Vordergrund. Das Pflegepersonal behält zu jeder Zeit die Ausscheidungen der Patienten hinsichtlich Menge, Rhythmus, Infektionen, Störungen sowie dem Inkontinenzverhalten im Blick. Liegt eine Inkontinenz vor, leisten die Pflegekräfte Hilfestellung. Das kann aktiv erfolgen oder durch die Gabe von Inkontinenzhilfsmitteln.
Sich kleiden
Unterstützend wirken die Pflegekräfte beim An- und Auskleiden auf die Pflegebedürftigen ein. Das AEDL-Konzept sieht vor, dass hinsichtlich der Diversität zwischen Tag und Nacht unterschiedliche Kleidung getragen wird und das Bewusstsein dafür gefördert wird. Ebenfalls soll darauf geachtet werden, dass in der alltäglichen Kleidung eine gewisse Stilsicherheit beachtet wird. Nach dem AEDL-Pflegekonzept kann das als motivierende Unterstützung geleistet oder die Kleidung gleich anziehfertig bereitgelegt werden.
Ruhen und Schlafen
Erholungszeiten sollen in einem regelmäßigen Rhythmus stattfinden. Dabei wird ein besonderer Fokus auf die Nachtruhe gelegt, die die längste Phase darstellt. Darüber hinaus gewährt das Pflegekonzept nach AEDL die Freiheit, die persönlichen Bedürfnisse hinsichtlich eines gesunden Schlaf-Wach-Rhythmus einfließen zu lassen. Das Pflegepersonal überwacht dabei die Dauer der Ruhephasen, die Qualität und die regelmäßigen Schlafzeiten. Ebenfalls sollen eventuell auftretende Schlafstörungen behandelt werden.
Sich beschäftigen
Dieser Punkt im AEDL-Pflegemodell beschäftigt sich mit der Tagesplanung der Pflegepatienten. In welchem Maß diese selbstständig erfolgen kann, überprüft das Pflegepersonal. Schleichen sich dabei Unregelmäßigkeiten ein, kann es helfen, den Betroffenen zu animieren, Hobbys und Interessen nicht schleifen zu lassen, sondern kontinuierlich zu verfolgen. Dazu gehören Beschäftigungen wie Lesen von Büchern, Tageszeitungen oder Magazinen. Auch gemeinsame Aktivitäten mit anderen Menschen spielen eine Rolle. Vor allem in der Heimbetreuung organisieren die Pflegekräfte entsprechende Angebote zur Beschäftigung.
Sich als Mann oder Frau fühlen und verhalten
Sexualität hört nicht an einem bestimmten Lebenspunkt auf. Sie darf zu keiner Zeit eingeschränkt oder unterdrückt werden. Daher ist das Pflegepersonal nach dem AEDL-Standard dazu angehalten, die Selbstbestimmung der Bewohner zu akzeptieren und bei Bedarf zu leiten. Aktives Handeln ist ebenfalls in Krisenzeiten erforderlich, damit es zu keiner Zeit ein Missverhältnis zwischen Nähe und Distanz gibt. In diesen Bereich fällt auch der Kontakt zu anderen Bewohnern oder sozialen Kontakten, wenn ein menschlicher Verlust eingetreten ist.
Für eine sichere Umgebung sorgen
Grundsätzlich soll jeder Bewohner oder ambulant betreute Patient sich seinen Lebensraum so einrichten, wie er es für richtig hält. Dazu gehören Möbelstücke und die dekorative Gestaltung. Erkennen die Pflegekräfte hierbei Defizite oder gar ein Verletzungsrisiko, sind sie nach dem AEDL-Pflegekonzept angehalten, unterstützende Orientierungshilfe zu geben. In einen sicheren Wohnraum, in dem sich die Patienten zu Hause fühlen, wachsen außerdem die Sicherheit und das persönliche Wohlempfinden. Auch die Gabe von verschriebenen Medikamenten fällt in diesen AEDL-Bereich.
Soziale Bereiche des Lebens sichern
Der Kontakt mit Freunden und Familie muss auch in einer Pflegebedürftigkeit bestehen bleiben. Vertraute Personen helfen dabei, den anstrengenden Alltag zu meistern oder Erinnerungen am Leben zu halten. Eine drohende Vereinsamung und Isolation können verheerende Folgen auf das Wohlbefinden und die Motivation des Betroffenen haben. Im schlimmsten Fall verweigert er Hilfsmaßnahmen, die für seine Genesung und Selbstständigkeit relevant sind. Das Pflegemodell AEDL sieht dabei eine besondere Verantwortung bei den Pflegekräften, das soziale Umfeld aufrecht zu erhalten und innerhalb des vertrauten Personenkreises regelmäßig den Kontakt zu pflegen.
Mit existenziellen Erfahrungen des Lebens umgehen
Die Pflegebedürftigkeit tritt oft im höheren Alter ein. Damit einhergehend muss der Betroffene mit Verlusten und den Folgen umgehen. Der Tod von geliebten Menschen und Freunden sowie Ängste vor den nächsten eigenen Lebensmonaten und die direkte Konfrontation mit Krisen sollen die Pflegekräfte direkt und fürsorglich begleiten. Dazu gehören auch behördliche Angelegenheiten und die eigene selbstbestimmte Bestattung. Das Pflegemodell AEDL sieht vor, die Betroffenen von Anfang an zu begleiten und psychologische Hilfe zu gewährleisten
Entwicklung des AEDL-Pflegemodells
Das Pflegekonzept AEDL ist eine Erweiterung des ursprünglichen ATL (Aktivitäten des täglichen Lebens), bei dem es in erster Linie um das Wohlergehen der Pflegekraft geht. In einem ausgeglichenen Zustand kann sie eine heilende Pflege ausrichten. Die Pflege selbst wird bedürfnisorientiert ausgeführt und sieht Interaktion nur in geringem Maß vor.
Daher entwickelte Prof. Dr. Monika Krohwinkel das AEDL-Konzept weiter und bezog den Menschen als Individuum stärker ein. Daraus wurde nun ein Interaktionsmodell, das auf Förderung und Verbesserung abzielte.
Die Böhm’sche Pflegetheorie liegt der psychobiographischen Pflege nach Erwin Böhm zugrunde. Hierbei wird davon ausgegangen, dass jeder Patient seine individuelle Vorgeschichte hat, die mit individuellen Maßnahmen begleitet werden muss. Nicht nur der Körper muss im Krankheitsfall Heilung erfahren, auch die Seele.
Jedoch hat sich in der Praxis das AEDL-Pflegekonzept bewährt, da es vor allem auf die Selbstbestimmtheit und Unabhängigkeit abzielt. So lange, wie es möglich ist, sollen Betroffene ihre eigenen Entscheidungen treffen. Eventuelle Einschränkungen können mit den richtigen Maßnahmen verbessert oder gar aufgehoben werden.